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Brief für Unternehmer- und Freiberufler des Monats August 2011


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Bauleistungen i. S. d. UStG

2.

Bundesverfassungsgericht entscheidet über Istbesteuerung für Freiberufler

3.

Reverse-Charge Verfahren: Vom Zweifel haben und hätte haben müssen

4.

Fahrtkostenpauschale von 0,30 EUR bei Reisekosten auf der Kippe?

5.

Zum Nachweis der Einzahlung einer Stammeinlage

6.

Vorläufige Festsetzung der Grunderwerbsteuer

7.

Geringe Manipulation von Zeiterfassungsdaten rechtfertigt keine Kündigung

8.

Pauschale Leistungsbeschreibungen gefährden den Vorsteuerabzug

9.

Täuschung bei Bewerbung berechtigt Arbeitgeber nicht immer zur Anfechtung des Arbeitsvertrags

10.

Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bei Unfall in Rufbereitschaft

11.

Eine nur abstrakte Kündigungsbefugnis eines Bevollmächtigten des Arbeitgebers kann unzureichend sein

12.

Zur Bedeutung des Wortes "unverzüglich" bei fristloser Kündigung eines Schwerbehinderten

13.

Steht die private Kfz-Nutzung der Kleinunternehmerregelung entgegen?

14.

Skilifte im UStG: Neues zum ermäßigten Steuersatz (7 %)

15.

Zur Bindungswirkung der Feststellungen des Lagefinanzamts

16.

Keine verdeckte Sacheinlage bei Ablösung von Darlehen für bürgenden Inferenten

17.

Befragung nach dem Gesundheitszustand der Bewerber um Beamtenstelle zulässig

18.

Schuldunfähigen Arbeitnehmern kann fristlos verhaltensbedingt gekündigt werden

19.

Entschädigung für schwangere Bewerberin bei Benachteiligung

20.

Zur Nichtigkeit eines geschlossenen "Beratungsvertrags Sanierung"

21.

Durchsetzbarkeit des Aufrechnungsrechts bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens

22.

Anspruch auf Rechnungslegung für nicht beteiligten Gesellschafter bei Liquidation einer GbR

23.

Vertretungsbefugnis einer Limited endet mit deren Löschung im englischen Handelsregister

24.

Abgrenzung Land- und Forstwirtschaft vom Gewerbe bei Hofladen oder Handelsgeschäft

25.

Festlegen einer durchschnittlichen Stundenzahl im Monat im Arbeitsvertrag unwirksam

26.

Steuerbefreiung für Ärzte

27.

Vorsicht vor käuflichen USt-IDNr.



1. Bauleistungen i. S. d. UStG

Kernaussage
Bauunternehmer, die von Subunternehmern Bauleistungen empfangen, schulden i. d. R. die Umsatzsteuer aus den an sie erbrachten Leistungen (Umkehr der Steuerschuldnerschaft). Die Subunternehmer müssen in diesen Fällen eine Netto-Rechnung ausstellen und auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft hinweisen.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe nimmt in einer aktuellen Verfügung diesbezüglich zu wichtigen Themen Stellung. Demnach sind Reparatur- und Wartungsleistungen, die 500 EUR (netto) überschreiten, nur dann als Bauleistungen zu behandeln, wenn Teile verändert, bearbeitet oder ausgetauscht werden. Ferner stellt die OFD für ca. 70 Leistungen dar, ob und ggf. unter welchen Bedingungen es sich um Bauleistungen handelt. Auch auf die Behandlung von Kleinunternehmern wird eingegangen.

Konsequenz
Anhand der aufgelisteten Leistungen wird ersichtlich, dass die Regelung in der Praxis an ihre Grenzen stößt. So sind z. B. Maschinen keine Bauleistungen, während gewerbliche Geschirrspüler als solche qualifiziert werden, wenn sie fest mit dem Gebäude verbunden sind. Um Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, sollten die Leistungsempfänger daher im Zweifel von der Umkehr der Steuerschuldnerschaft Gebrauch machen.

2. Bundesverfassungsgericht entscheidet über Istbesteuerung für Freiberufler

Kernaussage
Während bei der Sollbesteuerung die Umsatzsteuer mit Erbringung der Leistung entsteht, ist dies bei der Istbesteuerung erst der Fall, wenn der Kunde zahlt. Im Gegensatz zur Sollbesteuerung entfällt daher bei der Istbesteuerung eine Vorfinanzierung der Umsatzsteuer. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied dazu jüngst, dass eine Steuerberatungs-GmbH mit buchführungspflichtigen Umsätzen nicht zur Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten (Istbesteuerung, § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) berechtigt ist.

Sachverhalt
Die klagende Steuerberatungs-GmbH beantragte im Januar 2004, ab dem Veranlagungszeitraum Januar 2004 ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) zu versteuern (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Dies lehnte das beklagte Finanzamt ab. Einspruch und Klage dagegen hatten keinen Erfolg. Auch der BFH hat entgegen der von der Verwaltung akzeptierten Praxis daraufhin überraschend allen Freiberuflern die Anwendung der Istbesteuerung untersagt, sofern sie zur Buchführung verpflichtet sind bzw. freiwillig Bücher führen.

Entscheidung
Die Umsätze der klagenden Steuerberatungs-GmbH müssen bereits vor dem Erhalt des Entgelts versteuert werden. Der BFH modifiziert damit seine bisherige Rechtsprechung dahingehend, dass zukünftig auch Steuerberater und Steuerberatersozietäten nicht mehr zur Istbesteuerung berechtigt sind, wenn sie freiwillig Bücher führen und ihren Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln. Der BFH stützt dies darauf, dass die Istbesteuerung für Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) voraussetzt, dass der Unternehmer nicht buchführungspflichtig ist. Dementsprechend wäre es nicht folgerichtig, einem Unternehmer, der zwar nicht buchführungspflichtig ist, aber freiwillig Bücher führt, die Istbesteuerung zu gestatten. Der BFH hält die sog. Sollbesteuerung, nach der der Unternehmer seine Leistung bereits mit der Leistungserbringung und nicht erst mit der Entgeltvereinnahmung zu versteuern hat, für verfassungsgemäß. Daher ist das Urteil also auch insoweit von grundsätzlicher Bedeutung. Zwar ist der Unternehmer bei der Soll- anders als bei der Istbesteuerung zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer insoweit verpflichtet, als er die Umsatzsteuer für seine Leistungen ggf. bereits vor der Vereinnahmung der Umsatzsteuer von seinem Kunden an den Fiskus abzuführen hat. Nach Ansicht der Richter ist diese Ungleichbehandlung jedoch nicht zu beanstanden, da die Sollbesteuerung des Unternehmers bei Uneinbringlichkeit des Entgeltanspruchs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG) entfällt und an den Begriff der Uneinbringlichkeit zur Wahrung der Besteuerungsgleichheit keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden dürfen.

Konsequenzen
Mittlerweile ist das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig. Das Bundesfinanzministerium (BMF) wird dem Urteil voraussichtlich folgen, hat aber erklärt, Konsequenzen nur für die Zukunft ziehen zu wollen. Damit besteht für Freiberufler zunächst keine Veranlassung zur Sollbesteuerung zu wechseln. Allerdings wird sich dann Handlungsbedarf ergeben, wenn das BMF das Urteil umsetzt. Hier ist dann zu prüfen, ob auf Grundlage des beim BVerfG anhängigen Verfahrens gegen die Vorgaben des BMF vorgegangen werden kann und soll.

3. Reverse-Charge Verfahren: Vom Zweifel haben und hätte haben müssen

Kernaussage
Wer Dienstleistungen von Unternehmern bezieht, die nicht im Inland ansässig sind, ist verpflichtet, die Umsatzsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (Umkehr der Steuerschuldnerschaft bzw. Reverse-Charge-Verfahren). Hat der Leistungsempfänger Zweifel, ob sein Dienstleister im Inland ansässig ist, so kann er auf den Einbehalt der Umsatzsteuer nur verzichten, wenn ihm der Dienstleister eine amtliche Bescheinigung vorlegt, aus der seine umsatzsteuerliche Registrierung im Inland hervorgeht.

Sachverhalt
Die klagende Private Limited Company (Limited) mit Sitz in England, aber Ort der Geschäftsleitung in Deutschland, erbrachte Geschäftsbesorgungsleistungen in Deutschland an eine Kommanditgesellschaft (KG). Das beklagte Finanzamt forderte von der Limited die Umsatzsteuer für die erbrachten Leistungen. Hiergegen wehrte sich die Limited mit dem Argument, dass nicht sie, sondern die KG Steuerschuldnerin sei. Die KG hätte Zweifel haben müssen, ob die Limited tatsächlich im Inland ansässig sei. Aufgrund dieser Zweifel wäre die KG verpflichtet gewesen, sich die Ansässigkeit von der Limited bescheinigen zu lassen. Da die KG dies unterlassen habe, sei sie Schuldnerin der Umsatzsteuer. Das Finanzgericht wies die Klage ab; die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde blieb vor dem Bundesfinanzhof (BFH) erfolglos.

Entscheidung
Der BFH bestätigt die Vorinstanz, wonach die Limited, als im Inland ansässiges Unternehmen die Umsatzsteuer schuldet. In diesem Fall ist unerheblich, ob die KG die Ansässigkeit der Limited hätte bezweifeln müssen. Hat ein Unternehmer mit statuarischem Sitz im Ausland eine sonstige Leistung im Inland erbracht, steht aber fest, dass er tatsächlich nicht im Ausland, sondern im Inland ansässig war, kommt eine Steuerschuld des Leistungsempfängers für diese Leistungen nicht in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger Zweifel hinsichtlich der Ansässigkeit des Leistenden hatte oder hätte haben müssen.

Konsequenzen
Die Anwendung des Reverse-Charge Verfahrens aufgrund der Ansässigkeit kommt grundsätzlich nicht in Frage, wenn der leistende Unternehmer im Inland ansässig ist. Für den Leistungsempfänger bedeutet dies, dass er nur für die Umsatzsteuer haftet, wenn er Dienstleistungen eines tatsächlich nicht im Inland ansässigen Unternehmers bezieht und keine entsprechende Bescheinigung eingeholt hat.

4. Fahrtkostenpauschale von 0,30 EUR bei Reisekosten auf der Kippe?

Kernproblem
Beruflich veranlasste Reisekosten dürfen vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden, soweit sie die beim Arbeitnehmer abzugsfähigen Werbungskosten nicht übersteigen. Benutzt der Arbeitnehmer hierbei seinen privaten Pkw, können die Fahrtkosten grundsätzlich mit 0,30 EUR pauschal je Fahrkilometer angesetzt werden. In der Praxis wird zumeist auf diese zuletzt 2001 vom Bundesfinanzministerium festgelegte Kilometerpauschale zurückgegriffen, obwohl es das Finanzamt zulässt, die Fahrtkosten individuell auf Basis der Gesamtkosten des Fahrzeugs zu ermitteln. Während die 2001 verkündete Pauschale eine reine Euro-Umrechnung darstellte, hat die letzte Erhöhung im Jahr 2000 um etwa 0,03 EUR stattgefunden. Angesichts der Preisentwicklung im vergangenen Jahrzehnt erscheint dies geradezu marginal. Jetzt wurde das Thema erneut aufgegriffen; Auslöser war ausgerechnet der öffentliche Dienst in der Funktion als Arbeitgeber.

Sachverhalt
Als ungerecht mag es auf den ersten Blick empfunden werden, dass die an Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst gezahlten Reisekosten (bis auf Ausnahmen), unabhängig von einem Verweis auf die für "normale" Arbeitnehmer geltenden Höchstbeträge aus dem Steuerrecht, lohnsteuerfrei sind. Auf den zweiten Blick stellt man jedoch fest, dass die aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekosten häufig identisch oder sogar niedriger sind, so dass dem Thema die steuerliche Brisanz weitgehend entzogen ist. Jedoch werden in manchen Bundesländern höhere Vergütungen nach den geltenden Landesreisekostengesetzen gezahlt. Ein Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Baden-Württemberg erhält z. B. bei Nutzung eines Privatwagens von über 600 ccm Hubraum eine Pauschale von 0,35 EUR je Kilometer. Da anzunehmen ist, dass in der Autobauermetropole die meisten Beamten nicht unbedingt einen Fiat 500 aus solchen Zeiten fahren, in denen die Typenbezeichnung noch für den Hubraum stand, dürfte der erhöhte Satz der Regel entsprechen (die Fahrer des alten Fiat 500 werden mit einem Abzug von 0,10 EUR bestraft). In einem Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren verlangte ein angestellter Steuerberater die Gleichbehandlung und begehrte den Abzug von 0,35 EUR für seinen Pkw (über 600 ccm). Als Nachweis diente ihm ein vom Statistischen Bundesamt ermittelter Kraftfahrer-Preisindex von 0,3572 EUR.

Entscheidung
Nachdem sowohl das Finanzgericht Baden-Württemberg als auch der Bundesfinanzhof (BFH) den Fall negativ beschieden haben, ist jetzt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gefragt. Zumindest die Steuerrichter beriefen sich darauf, typisierende Verwaltungsvorschriften nicht ändern zu können. Zudem stehe dem Arbeitnehmer ein Nachweis durch Gesamtkostenermittlung zu. Der BFH wollte auch keine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern sehen; das muss das Bundesverfassungsgericht jetzt überprüfen, nachdem der streitbare Steuerberater Verfassungsbeschwerde eingelegt hat.

Konsequenz
Der Fall ist nicht so spektakulär wie seinerzeit die Entfernungspauschale. Dennoch sind Berater in Fällen mit größerer Tragweite dazu angehalten, das Verfahren mit Hinweis auf ein Ruhen bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts offenzuhalten. Zu über den 0,30 EUR hinausgehenden Erstattungen "privater" Arbeitgeber ist auch im Hinblick auf zusätzliche Risiken im Sozialversicherungsrecht zunächst nicht zu raten. Ein erweiterter Werbungskostenabzug ist im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers immer noch möglich. Zudem sollte die Möglichkeit des Einzelnachweises verstärkt in Betracht gezogen werden. Hier sind allerdings Nachweise als Belege zum Lohnkonto zu nehmen.

5. Zum Nachweis der Einzahlung einer Stammeinlage

Rechtslage
Die Frage, ob die Gesellschafter einer GmbH die Stammeinlagen erbracht haben, kann viele Jahre nach der Gründung der Gesellschaft praktische Relevanz bekommen. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied, dass der Nachweis der Einzahlung einer Stammeinlage im Hinblick auf daraus resultierende Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2 EStG) 20 Jahre nach Eintragung der GmbH nicht allein durch den entsprechenden Zahlungsbeleg geführt werden muss. Vielmehr hat anhand aller vorhandenen Einzelindizien eine Gesamtwürdigung zu erfolgen.

Sachverhalt
Die Klägerin war als Gesellschafterin einer 1986 gegründeten GmbH an deren Stammkapital zu rund einem Drittel beteiligt. Nach der Satzung waren die Stammeinlagen zur Hälfte sofort in bar einzuzahlen. Im Juni 2006 lehnte das Amtsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab. Die GmbH wurde im Handelsregister sodann gelöscht. Für das Jahr 2006 machte die Klägerin den Verlust aus der Beteiligung an der GmbH im Halbeinkünfteverfahren steuerlich geltend. Das beklagte Finanzamt lehnte die Berücksichtigung des Verlustes ab. Das Finanzgericht schloss sich der Auffassung des Finanzamts an, da die Klägerin die Zahlung der Stammeinlage nicht nachgewiesen habe.

Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und gab der Klage statt. Angesichts des langen Zeitablaufs seit der Eintragung der GmbH kann aus dem Fehlen eines Einzahlungsbelegs kein Indiz dafür abgeleitet werden, dass keine Einzahlung erfolgt ist. Auch wäre es unverhältnismäßig, allein auf die Vorlage eines Zahlungsbelegs abzustellen, zumal die Klägerin keine Aufbewahrungspflichten mehr träfen. Anhand einer Gesamtwürdigung hätte das Finanzgericht die Einzelindizien für die Einzahlung berücksichtigen und werten müssen. Hierbei kommt der Einzahlungsverpflichtung laut Gesellschaftsvertrag, sowie der Tatsache, dass die GmbH tatsächlich eingetragen worden ist, ein hoher Beweiswert zu. Ergiebiges Indiz für die Einlageleistung der Klägerin ist der bilanzielle Ausweis der ausstehenden Einlage mit 0 EUR und dessen Übernahme in die Prüferbilanz, zumal der Betriebsprüfer bei Nichtverzinsung der ausstehenden Stammeinlage ggf. eine verdeckte Gewinnausschüttung zu veranschlagen gehabt hätte.

Konsequenz
Das Urteil des BFH hat über den entschiedenen Sachverhalt hinaus auch Bedeutung soweit es um die Beweislast hinsichtlich der Erfüllung der Zahlungsverpflichtung zur Leistung der Stammeinlage geht. Dennoch ist zu empfehlen, die entsprechenden Kontoauszüge bzw. Einzahlungsbelege über die erbrachten Einlagen mit den Verträgen und Beschlüssen der Gesellschaft dauerhaft aufzubewahren.

6. Vorläufige Festsetzung der Grunderwerbsteuer

Kernproblem
Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bestimmt sich regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung (Kaufpreis). Wird die Grunderwerbsteuer indes infolge eines Anteilsgeschäftes (Übertragung oder Vereinigung von mehr als 95 % der Anteile in einer Hand) oder einer Umwandlung (insbesondere Verschmelzung, Spaltung und Einbringung) ausgelöst, dient der Grundbesitzwert als Bemessungsgrundlage (§§ 138 ff. BewG). Bei bebauten Grundstücken entspricht dieser regelmäßig dem 12,5fachen der vereinbarten oder üblichen Jahresmiete (vermindert um einen Altersabschlag für das Gebäude). Die Anwendung dieses typisierenden Ertragswertverfahrens kann in der Praxis im Einzelfall zu erheblichen Unter- oder auch Überbewertungen führen. Infolgedessen hält der Bundesfinanzhof (BFH) die Anwendung dieser Bewertungsvorschriften für verfassungswidrig, da sie einem gleichheitsgerechten und folgerichtigen Bewertungssystem entgegenstehe. Die Prüfung der Verfassungskonformität obliegt nunmehr dem Bundesverfassungsgericht.

Reaktion der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung hat auf dieses Urteil reagiert, in dem die gleichlautenden Ländererlasse vom 1.4.2010 nunmehr durch die gleichlautenden Ländererlasse vom 17.6.2011 ersetzt wurden. Zu klären ist die Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage verfassungsgemäß ist. Deshalb haben zukünftig weiterhin Festsetzungen von Grunderwerbsteuer, die die Steuer nach den Grundbesitzwerten bemessen, vorläufig zu erfolgen.

Konsequenzen
Es ist in der Praxis darauf zu achten, dass die Festsetzungen der Grunderwerbsteuer den vorstehend erläuterten Vorläufigkeitsvermerk enthalten, wenn die Festsetzung auf der Grundlage von Grundbesitzwerten beruht. Ist ein Vorläufigkeitsvermerk nicht enthalten, sollte der Bescheid unter Hinweis auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren offen gehalten werden. Ob bzw. inwieweit Steuerpflichtige von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts profitieren werden, ist indes fraglich: Der BFH ist zwar von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt, hat jedoch eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, da nicht mehr gewährt werden könne, als vom Bundesverfassungsgericht zu erwarten sei. Dieses hätte aber in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen dem Gesetzgeber eine Frist zur Nachbesserung gestellt und zwischenzeitlich eine befristete Weiteranwendung der Altregelung zugelassen. Eine rückwirkende Änderung oder die Feststellung der Nichtigkeit erfolgte jedoch regelmäßig nicht und ist auch im vorliegenden Fall nicht zu erwarten.

7. Geringe Manipulation von Zeiterfassungsdaten rechtfertigt keine Kündigung

Rechtslage
Bis zur vieldiskutierten "Emily"-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verhielt es sich so, dass auch geringfügige Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers (beispielsweise auch die Unterschlagung von Pfandbons) eine fristlose Kündigung rechtfertigen konnten. Hierzu gehörte stets auch der Arbeitszeitbetrug. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat jetzt für diesen Bereich (wohl) erstmals eine mit der "Emily"-Rechtsprechung vergleichbare Richtung eingeschlagen.

Sachverhalt
Beim beklagten Arbeitgeber bestand ein Zeiterfassungssystem, in das sich die Arbeitnehmer einstempeln mussten und das einer Arbeitsstunde 12 Zeiteinheiten zuordnete, wobei zu den einzelnen Tätigkeiten im Betrieb bestimmte Zeiteinheiten hinterlegt waren. Für den hier erheblichen Ölwechsel erhielt der Kläger 9 Zeiteinheiten gutgeschrieben. Wenn ein Lehrling an der Arbeit beteiligt war, umfasste eine Arbeitsstunde 14 oder 16 Zeiteinheiten. Im konkreten Fall hatte der Kläger einen Lehrling angewiesen, ihm beim Abschrauben einer Verkleidung zu helfen, was ca. eine Minute erforderte, und sich dafür nicht in die Zeiterfassung einzustempeln. Wegen dieses Vorfalls kündigte der Arbeitgeber dem Kläger fristlos und unterlag vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung
Die Richter entschieden, dass ein systematischer Missbrauch der Zeiterfassung zwar weiterhin eine zur fristlosen Kündigung berechtigende schwere Pflichtverletzung darstelle und der Kläger die Zeiterfassung auch zu seinen Gunsten manipuliert habe, indem er verhinderte, dass die Hilfe des Lehrlings die Zeiteinheiten seiner Arbeitsstunde erhöhten. Der für die fristlose Kündigung zum Anlass genommene Vorwurf stelle aber eine verhältnismäßig geringe Pflichtverletzung dar, die keine Kündigung rechtfertige.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt eine deutliche Tendenz im Bereich der Rechtsprechung zu Kündigungen, die wegen Straftaten, die zu Lasten des Arbeitgebers begangen wurden, ausgesprochen werden. Dort, wo verhältnismäßig geringe Verstöße denkbar und möglich sind, scheint die Rechtsprechung zu Gunsten des Arbeitnehmers ein einmaliges bzw. geringfügiges Fehlverhalten für noch erträglich zu erachten.

8. Pauschale Leistungsbeschreibungen gefährden den Vorsteuerabzug

Kernaussage
Rechnungen berechtigen nur dann zum Vorsteuerabzug, wenn sie alle nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) geforderten Angaben enthalten. Hierzu zählt unter anderem die genaue Beschreibung der abgerechneten Leistung.

Sachverhalt
Der Kläger war Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei, die mit einer Steuerberatungsgesellschaft eine Bürogemeinschaft unterhielt. Er war einer von mehreren Geschäftsführern der Steuerberatungsgesellschaft, nicht jedoch an ihr beteiligt. Die Steuerberatungsgesellschaft erbrachte auf Basis einer mündlichen Vereinbarung folgende Dienstleistungen für die Kanzlei: Gestellung von Personal, Büromaterial, EDV und Fachliteratur sowie Schreibarbeiten. Unterjährig leistete der Kläger Abschlagszahlungen. Zum Jahresende erfolgte die Endabrechnung. Hierzu setzte sich der Kläger mit einem der anderen Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft zusammen und schätzte die zu leistende Nachzahlung auf Basis der angefallenen Kosten. Eine exakte Abrechnung unterblieb, um administrativen Aufwand zu vermeiden. Diese Endabrechnung erkannte das beklagte Finanzamt nicht an und bemängelte die Bezeichnung "Nachzahlung Personalgestellung - Schreibarbeiten bzw. für andere Kosten (Büromaterial, Porto, EDV, Fachliteratur etc.) lt. mündlicher Vereinbarung für den Zeitraum Januar bis Dezember" als zu unpräzise. Das Finanzamt versagte der Abrechnung sodann den Vorsteuerabzug mit der weiteren Begründung, insbesondere würden Angaben zu den tätigen Mitarbeitern und den geleisteten Stunden fehlen. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Entscheidung
Nach Ansicht des Finanzgerichts wurde der Vorsteuerabzug zu Recht versagt, weil die Leistungsbeschreibung keine genaue Identifizierung der erbrachten Leistung zuließ. Die Richter wiesen aber daraufhin, dass der Vorsteuerabzug zulässig gewesen wäre, wenn die Art und der Umfang der erbrachten Leistung weiter konkretisiert worden wären. Dazu hätten zusätzliche Angaben zu den tätigen Personen, den geleisteten Stunden und Stundensätzen gemacht werden müssen. Auf das Argument des Vorliegens einer mündlichen Vereinbarung über die Personalgestellung konnte sich der Kläger ebenfalls nicht stützen, weil eine solche im Gegensatz zu schriftlichen Vereinbarungen nicht überprüfbar ist.

Konsequenz
Allein die Angabe der Art der getätigten Leistung reicht für den Vorsteuerabzug nicht aus. Vielmehr müssen konkrete Angaben zum Umfang ergänzt werden (Mengen-, Zeitangaben). Fehlen diese, besteht bei Angaben wie z. B. Reinigung, Beratung, Schreibarbeiten etc. die Gefahr, dass dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug versagt wird. Das letzte Wort hat hier aber nun der Bundesfinanzhof (BFH). Die Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil ist bereits eingelegt.

9. Täuschung bei Bewerbung berechtigt Arbeitgeber nicht immer zur Anfechtung des Arbeitsvertrags

Rechtslage
Die Zulässigkeit der Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch ist hoch umstritten. Wäre sie generell unzulässig, dürfte der Bewerber sogar die Unwahrheit sagen. Das Bundesarbeitsgericht hat sich dazu bislang nicht geäußert, entschied aber in einer jüngeren Entscheidung allgemein, dass ein Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung berechtigt sein kann, wenn ein Bewerber eine zulässige Frage im Bewerbungsgespräch falsch beantwortet.

Sachverhalt
Die Klägerin war lange vor Beginn ihrer Tätigkeit für den beklagten Arbeitgeber als Schwerbehinderte anerkannt. Erst als der Arbeitgeber ihr nahelegte, gegen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, informierte die Klägerin ihn über ihre Schwerbehinderung, nachdem sie im Bewerbungsgespräch die Frage nach einer solchen noch verneint hatte. Daraufhin erklärte der Arbeitgeber die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise die Kündigung des Arbeitsvertrages. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses und machte eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Diskriminierung geltend.

Entscheidung
Die Klägerin obsiegte mit ihrer Feststellungsklage, unterlag verlor aber mit dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch. Zwar könne eine falsche Antwort auf eine zulässigerweise gestellte Frage im Bewerbungsgespräch zur Anfechtung und auch Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen; dies aber nur, wenn sich die Täuschung ursächlich auf den Abschluss des Arbeitsvertrages ausgewirkt habe. Dies war hier unstreitig nicht der Fall, denn der Arbeitgeber hatte zugegeben, die Frage nach der Schwerbehinderung deshalb gestellt zu haben, weil er seine Schwerbehindertenquote habe erhöhen wollen. Damit konnte unterstellt werden, dass die Klägerin auch bei Offenlegung der Schwerbehinderung eingestellt worden wäre. Im Übrigen lägen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch keine ausreichenden Indizien vor.

Konsequenz
Die Entscheidung ist zutreffend. Insbesondere wenn der Arbeitgeber selber vorträgt, er habe bewusst Schwerbehinderte bevorzugen wollen, kann er keine Anfechtung auf das nachträgliche Offenlegen einer Schwerbehinderung stützen. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings leider die Entscheidung nicht dazu genutzt, sich zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch zu äußern.

10. Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bei Unfall in Rufbereitschaft

Kernfrage
Die ärztliche Rufbereitschaft wird - unabhängig davon, wie sie erfasst und vergütet wird - regelmäßig als Arbeitszeit gewertet. Der Arbeitnehmer ist zwar nicht körperlich im Dienst, aber verpflichtet, unmittelbar auf Anforderung seinen Dienst an dem vom Arbeitgeber mitgeteilten Ort aufzunehmen. Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr darüber zu befinden, ob der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig für einen Schaden ist, den der Arbeitnehmer in Rufbereitschaft an seinem privaten Kfz auf der Fahrt zur Arbeitsaufnahme erleidet.

Sachverhalt
Der Kläger war als Arzt bei der beklagten Klinik angestellt und wohnte in einiger Entfernung zu seinem Arbeitsort. Als er aus der Rufbereitschaft in den Dienst beordert wurde, erlitt er auf dem Weg zur Arbeitsstelle bei winterbedingtem Glatteis einen Verkehrsunfall. Mit seiner Klage verlangte er Ersatz für den an seinem Pkw entstandenen Blechschaden. Arbeits- und Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage ab.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht entschied die Sache zwar nicht, hob aber die zugunsten des Arbeitgebers in den Vorinstanzen ergangenen Entscheidungen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das LAG zurück. Dabei stellte das Bundesarbeitsgericht - anders als die Vorinstanzen bisher - fest, dass ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bestehe. In der Rufbereitschaft werde der Arbeitnehmer aufgefordert, seine Arbeitsleistung aufzunehmen. Wenn der Arbeitnehmer annehmen dürfe, er müsse seinen privaten Pkw benutzen, um pünktlich am Arbeitsort zu sein, könne ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bestehen. Insoweit sei die Rufbereitschaft anders zu beurteilen als die normale tägliche Fahrt zur Arbeit, bei der eine Schadensersatzpflicht nicht bestehe. Im Rahmen der erneuten Verhandlung sei nur noch zu klären, wie hoch der Schaden sei und ob ein Mitverschulden des Arbeitnehmers am Unfall vorliege.

Konsequenz
Die Entscheidung hat weitreichende Folgen. Zum einen gilt sie für Schadensersatzansprüche nach Unfällen in Rufbereitschaft. Zum anderen ist die Ausgangslage wohl damit vergleichbar, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aus der Freizeit außerhalb normaler Arbeitszeiten kurzfristig zur Arbeit beordert. Auch hier muss dann bei Unfällen über eine Schadensersatzpflicht dem Grunde nach nachgedacht werden.

11. Eine nur abstrakte Kündigungsbefugnis eines Bevollmächtigten des Arbeitgebers kann unzureichend sein

Rechtslage
Kündigung müssen durch den Arbeitgeber schriftlich ausgesprochen werden. Dies ist entweder der Inhaber selbst oder der gesetzliche Vertreter, wenn Arbeitgeber eine juristische Person ist. Daneben sind auch andere Personen zur Kündigung berechtigt, wenn ihnen vom Arbeitgeber entsprechende Vollmacht erteilt worden ist und diese Vollmacht dem Arbeitnehmer bekannt gemacht wurde. Solche Kündigungen sind mit "i. V." zu unterzeichnen. Ist dem Arbeitnehmer die Vollmacht nicht bekannt, muss eine Originalvollmacht bei Zugang der Kündigung vorliegen, um eine in Vertretung des Arbeitgebers ausgesprochene Kündigung wirksam werden zu lassen. Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr über die Wirksamkeit einer Arbeitsvertragsklausel zu entscheiden, die eine generelle Kündigungsvollmacht erteilen sollte.

Sachverhalt
Im Arbeitsvertrag der Klägerin war geregelt, dass eine Kündigung auch durch den Niederlassungsleiter/Objektleiter erfolgen könne. Das Arbeitsverhältnis wurde gekündigt, die Kündigung enthielt die Unterschriftszeile "i. V. [Unterschrift], Niederlassungsleiter". Die Klägerin wies die Kündigung unverzüglich wegen Nichtvorlage einer Vollmacht zurück. Mit ihrer Kündigungsschutzklage machte sie geltend, die Kündigung sei unwirksam, weil sie nicht darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, wer der im Arbeitsvertrag erwähnte Niederlassungsleiter sei.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht gab der Klägerin Recht. Das Zurückweisungsrecht, von dem die Klägerin Gebrauch gemacht habe, hätte nur dann nicht vorgelegen, wenn der Arbeitgeber der Klägerin die Bevollmächtigung vorher mitgeteilt hätte. Auch die abstrakte Bevollmächtigungsregelung im Arbeitsvertrag ändere daran nichts. Diese stelle kein ausreichendes Inkenntnissetzen dar. Zwar müsse der Arbeitsvertrag nicht die zur Kündigung bevollmächtigten Personen namentlich benennen. Erforderlich sei aber, was bei der hier streitigen Klausel nicht der Fall war, dass der Arbeitgeber aufzeige, wie der Arbeitnehmer unschwer in Erfahrung bringen könne, wer kündigungsberechtigt sei.

Konsequenz
Dass das Bundesarbeitsgericht die namentliche Nennung der zur Kündigung bevollmächtigten Personen für nicht zwingend erforderlich hält, erscheint angesichts der im Übrigen erforderlichen Ausgestaltung, die der Arbeitsvertrag haben soll, als schwacher Trost. Einfacher wird es nur dann, wenn eine Personalabteilung vorhanden ist, die die tatsächlichen Namen der Kündigungsberechtigten zentral bekannt macht.

12. Zur Bedeutung des Wortes "unverzüglich" bei fristloser Kündigung eines Schwerbehinderten

Kernfrage
Kündigungen von schwerbehinderten Arbeitnehmern sind nur wirksam, wenn die Zustimmung des Integrationsamtes vorliegt. Bei fristlosen Kündigungen, die innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis vom fristlosen Kündigungsgrund ausgesprochen sein müssen, reicht es aus, wenn der Antrag auf Zustimmung zur fristlosen Kündigung innerhalb der zwei Wochen beim Integrationsamt eingeht. Stimmt das Amt zu, sieht das Gesetz vor, dass die Kündigung gegenüber dem Schwerbehinderten unverzüglich nach Erhalt der Zustimmung erfolgen muss. Das Arbeitsgericht Oberhausen hatte nun darüber zu entscheiden, was "unverzüglich" in diesem Zusammenhang bedeutet.

Sachverhalt
Der schwerbehinderte Kläger hatte bei seinem Arbeitgeber Geld veruntreut. Als dies bekannt wurde, beantragte der Arbeitgeber die für eine wirksame fristlose Kündigung erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes. Die Zustimmung wurde auch erteilt, allerdings mehr als zwei Wochen nach Kenntniserlangung des Arbeitgebers vom außerordentlichen Kündigungsgrund. Der Arbeitgeber kündigte am Tag nach Erhalt der Zustimmung des Integrationsamtes das Arbeitsverhältnis fristlos. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte keinen Erfolg.

Entscheidung
Mit seiner Kündigungsschutzklage hatte der Kläger geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei verfristet, insbesondere sei sie nicht unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt. Das Arbeitsgericht urteilte jedoch, dass es ausreichend sei, wenn innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes die Zustimmung zur fristlosen Kündigung beim Integrationsamt beantragt sei; im Übrigen sei die Kündigung auch unverzüglich nach Erhalt der Zustimmung erfolgt. Ein Tag Verzögerung sei insoweit unschädlich.

Konsequenz
Die Entscheidung überrascht im Ergebnis nicht, sie zeigt aber, dass bei fristlosen Kündigungen Schwerbehinderter stets unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Die Betonung, dass ein Tag Verzögerung unschädlich sei, lässt darauf schließen, dass eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre, wenn eine zwei- oder dreitägige Verzögerung vorgelegen hätte.

13. Steht die private Kfz-Nutzung der Kleinunternehmerregelung entgegen? 

Kernaussage
Unternehmer, die jährlich Umsätze von maximal 17.500 EUR erzielen, gelten nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) als Kleinunternehmer. Bei diesen verzichtet das Finanzamt auf die Erhebung der Umsatzsteuer. Im Gegenzug dürfen die Kleinunternehmer weder Umsatzsteuer in Rechnung stellen noch Vorsteuer ziehen. Umstritten ist, ob im Rahmen der Prüfung der Umsatzgrenze die private Kfz-Nutzung zu berücksichtigen ist. Hierzu entschied nun das Finanzgericht Berlin-Brandenburg.

Sachverhalt
Der Kläger betrieb seit 2002 eine Hausverwaltung. Bis einschließlich 2006 galt er als Kleinunternehmer. Für 2007 forderte das Finanzamt von ihm Umsatzsteuer, da er in 2006 die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer überschritten habe. Entscheidend für die Überschreitung war, dass das Finanzamt erstmals die mittels der 1 %-Regelung ermittelte private Nutzung des im Jahr 2004 angeschafften betrieblichen Pkw in die Berechnung der maßgeblichen Umsätze einbezog. Der Kläger vertrat hingegen die Ansicht, dass der Eigenverbrauch für den Pkw bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nicht zu berücksichtigen sei und verlangte die Aufhebung des streitigen Umsatzsteuerbescheids. Die Klage hatte Erfolg.

Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg gab dem Kläger Recht, der entsprechend weiterhin als Kleinunternehmer zu behandeln ist. Da es bisher zu der umstrittenen Rechtsfrage an höchstrichterlicher Rechtsprechung fehlt, hat das FG die Revision zugelassen, die bereits beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. Die endgültige Entscheidung bleibt daher abzuwarten.

Konsequenz
Kleinunternehmer, die bei Berücksichtigung der privaten Kfz-Nutzung Gefahr laufen, ihren Status als Kleinunternehmer zu verlieren, sollten den Ausgang des Verfahrens genau verfolgen. Folgt der BFH nicht der Entscheidung des FG, so können sich zahlreiche Probleme für die Betroffenen ergeben. Die Finanzämter werden versuchen, nachträglich die Umsatzsteuer einzutreiben. Können die Kleinunternehmer diese nicht mehr nachbelasten, muss die Steuer aus dem Netto beglichen werden. Im Gegenzug steht ihnen zwar nun der Vorsteuerabzug, z. B. aus der Anschaffung des Kfz zu, aber nur, wenn ordnungsgemäße Rechnungen in der Vergangenheit vorgelegen haben. Hierauf ist allerdings grundsätzlich zu achten, da die Kleinunternehmergrenze auch aus anderen Gründen überschritten werden kann.

14. Skilifte im UStG: Neues zum ermäßigten Steuersatz (7 %)

Kernaussage
Die Beförderung von Personen mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art unterliegt seit 2008 dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. Begünstigt sind auch Sessel- und Schlepplifte für den Wintersport, sofern die Beförderung eine selbstständige Leistung darstellt.

Sachverhalt
Der Betreiber einer Indoor-Skihalle bot den Kunden u. a. ein "Liftticket" an, welches zur Nutzung des Liftes und der Skipiste berechtigte. Andere Leistungen (Skiverleih, -unterricht) wurden separat abgerechnet. So beinhaltete z. B. das Zipfelbobticket die Leihgebühr für den entsprechenden Bob, nicht hingegen die Liftbeförderung. Der Betreiber unterwarf die Lifttickets dem ermäßigten Steuersatz. Dem folgte das Finanzamt nicht. Es sah in der Liftbeförderung eine Leistung eigener Art, die dem Regelsteuersatz von 19 % zu unterwerfen sei. Im Gegensatz zu Skiliften im Freien ginge die Nutzung des Liftes immer mit der Nutzung der Piste einher, welche für die Kunden im Vordergrund stehe. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Finanzgericht Niedersachsen blieb erfolglos.

Entscheidung
Die Richter folgten der Auffassung des Finanzamtes und werteten die Beförderung mit dem Lift als unselbstständige Nebenleistung zur Skiabfahrt, auf die es den Nutzern allein ankomme. Das Gericht sah auch keine Benachteiligung gegenüber Liftanlagen im Freien, da diese durchaus auch isoliert zur Auffahrt auf den Berg ohne anschließende Abfahrt genutzt würden. Das Liftticket unterliegt daher dem Regelsteuersatz von 19 %.

Konsequenzen
Zutreffend an den Feststellungen des Gerichts dürfte sein, dass die Besucher einer Skihalle nicht primär dorthin reisen, um einmal Lift zu fahren. Fraglich ist aber, ob dies nicht auch regelmäßig bei Liftbetrieben im Freien der Fall ist. Einmal mehr zeigt sich, dass die Verwendung des ermäßigten Steuersatzes häufig mit Risiken verbunden ist. Um richtig kalkulieren zu können, ist es daher ratsam, sich im Zweifel, hinsichtlich seiner Verwendung abzusichern, z. B. durch Einholung einer verbindlichen Auskunft.

15. Zur Bindungswirkung der Feststellungen des Lagefinanzamts

Kernaussage
Feststellungsbescheide sind für Steuerbescheide nur insoweit bindend, als die dort getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind (§ 182 Abs. 1 AO). Das Finanzgericht Schleswig-Holstein entschied nun, dass die Feststellungen des Lagefinanzamts betreffend die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Betriebsvermögen eines Gewerbebetriebes das Erbschaftsteuerfinanzamt nicht binden.

Sachverhalt
Die Klägerin hatte einen Anteil an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geschenkt bekommen. Die GbR ist Eigentümerin eines Grundstücks, das sie an einen Gewerbebetrieb, Kfz-Handel mit Reparaturwerkstatt und Tankstelle, verpachtet. In der entsprechenden Schenkungsteuererklärung der Klägerin war angegeben, dass es sich um ein Betriebsgrundstück handelte. Auf Anfrage des beklagten Finanzamts erließ das Lagefinanzamt für das Grundstück einen Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Schenkungsteuer und setzte den Grundbesitzwert auf rd. 2,4 Mio. DM fest. Laut Bescheid gehörte das Grundstück "beim bisherigen Rechtsträger als Betriebsgrundstück zum Gewerbebetrieb Grundstücksgemeinschaft GbR". Streitig war nun, ob mit der Anteilsschenkung auch Betriebsvermögen auf die Klägerin übergegangen war und ob dieses Betriebsvermögen nach den Bestimmungen des Erbschaftsteuergesetzes begünstigt war (§ 13a ErbStG). Bei der Berechnung der Schenkungsteuer ging das beklagte Finanzamt nämlich davon aus, dass es sich bei dem Grundstück nicht um Betriebsvermögen handelte und wandte die Steuervergünstigung nicht an. Es meinte, für die Qualifizierung als Betriebsgrundstück müsse sich das Grundstück auch in der Hand des Erwerbers als solches darstellen.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die streitgegenständlichen Steuervergünstigungen stehen der Klägerin nicht zu; es lag kein Übergang von Betriebsvermögen vor, weil die GbR nur grundstücksverwaltend tätig war und mangels vorherigen eigenen Betriebs der Werkstatt auch keinen ruhenden Gewerbebetrieb inne hatte. Die anderslautenden Feststellungen des Lagefinanzamts im Bedarfswertfeststellungsbescheid binden das für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt nicht, obwohl im Feststellungsbescheid regelmäßig auch Feststellungen über die Art der wirtschaftlichen Einheit, bei Betriebsgrundstücken, die die zu einem Gewerbebetrieb gehören, auch über den Gewerbebetrieb, zu treffen sind.

Konsequenz
Die Bedarfswertfeststellungen der Lagefinanzämter entfalten nur in Bezug auf die Grundbesitzwerte für die Erbschaft- und Schenkungsteuer als Grundlagenbescheide Bindungswirkung.

16. Keine verdeckte Sacheinlage bei Ablösung von Darlehen für bürgenden Inferenten

Kernaussage
Wird mit einer Bareinlage ein Darlehen abgelöst, für dessen Rückzahlung sich der einlegende Gesellschafter (Inferent) verbürgt hat, leistet er nicht verdeckt eine Sacheinlage. Der künftige Regressanspruch des Bürgen ist nicht sacheinlagefähig. Die Tilgung eines Ehegatten-Darlehens ist nicht allein wegen des Näheverhältnisses eine verdeckte Sacheinlage.

Sachverhalt
Die Beklagten waren hälftig Gesellschafter einer GmbH. Im Dezember 2004 verkauften sie ihre bestehenden Geschäftsanteile sowie zwei durch eine Kapitalerhöhung noch zu bildende Geschäftsanteile an den Käufer. Im Rahmen dieses Anteilskaufes sollten Sicherheiten, die die Beklagten für Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber den Banken gestellt hatten, und Darlehen, die die Ehefrauen der Beklagten der Gesellschaft gegeben hatten, vorzeitig zurückgeführt bzw. abgelöst werden. Nachdem die Beklagten die Kapitalerhöhung beschlossen und die neuen Stammeinlagen übernommen hatten, traten sie sämtliche Geschäftsanteile an den Käufer ab. Dieser zahlte den Kaufpreis an die Beklagten, die ihrerseits die Einlageleistungen auf die Kapitalerhöhung an die Gesellschaft zahlten. Nach Eingang der Erhöhungsbeträge auf dem Geschäftskonto der GmbH wurden die Darlehensverbindlichkeiten gegenüber den Ehefrauen sowie die besicherten Bankverbindlichkeiten getilgt. Streitig ist die Erfüllung der Einzahlungsverpflichtung auf die Stammeinlage. Während des Revisionsverfahrens wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangt die nochmalige Leistung der Einlagen.

Entscheidung
Die Revision der Beklagten vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat Erfolg. Die Erfüllung der Einlageschuld scheitert nicht an einer verdeckten Sacheinlage in Form der Ablösung der Bankdarlehen, für die die Beklagten eine Bürgschaft übernommen haben. Der künftige Regressanspruch des Bürgen ist nicht sacheinlagefähig, weil seine Entstehung ungewiss ist und dem Anspruch noch kein wirtschaftlicher Wert zukommt. Ferner ist die Tilgung der Ehegatten-Darlehen nicht allein wegen des Näheverhältnisses eine verdeckte Sacheinlage. Hierfür ist erforderlich, dass das Darlehen wirtschaftlich vom Inferenten gewährt wurde oder die Einlage mit Mitteln bewirkt wird, die dem Inferenten vom Ehegatten zur Verfügung gestellt wurden. Ob die Darlehen der Ehefrauen aus Mitteln der Beklagten gewährt worden sind, hat das Berufungsgericht noch festzustellen.

Konsequenz
Die Neuregelung der verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs. 4 GmbHG) gilt grundsätzlich auch für Altfälle, bei denen vor dem 1.11.2008 die Leistung von Sacheinlagen vereinbart und erbracht wurden, die aber keine Erfüllungswirkung hatten. Der Wert der Sacheinlage wird auf die weiterhin bestehende Bareinlageverpflichtung des Gesellschafters angerechnet. Mit dem vorliegenden Urteil hat der BGH die Neuregelung konkretisiert.

17. Befragung nach dem Gesundheitszustand der Bewerber um Beamtenstelle zulässig

Rechtslage
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sind diskriminierende Bewerbungsverfahren verboten. "Klassiker" eines solchen Verfahrens sind unzulässige Frage nach Erkrankungen des Bewerbers im Vorstellungsgespräch. Im arbeitsrechtlichen Bereich gilt hier die Einzelfallrechtsprechung. Als Faustformel kann insoweit nur gelten, dass ein aus der Tätigkeit heraus bestehender sachlicher Grund (z. B. Umgang mit kranken Menschen) Nachfragen nach besonders akuten Krankheiten (z. B. Hepatitis C) rechtfertigt. Das Verwaltungsgericht Neustadt hatte nun im beamtenrechtlichen Bereich über die Zulässigkeit genereller Krankheitsfragen zu entscheiden.

Sachverhalt
Ein schwerbehinderter Bewerber wurde im Rahmen eines Bewerbungsgespräches zur Beamtenlaufbahn nach seinem Gesundheitszustand gefragt, nachdem er selber angegeben hatte, oft müde und ohne Elan zu sein. Nachdem er abgelehnt wurde, machte er Schadensersatz auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geltend, weil die Nachfrage nach seinem Gesundheitszustand eine Ablehnung aufgrund seiner Behinderung indiziere. Der Bewerber unterlag jedoch mit seiner Klage.

Entscheidung
Die Richter urteilten, eine Benachteiligung ergebe sich nicht alleine aufgrund der Nachfrage nach dem Gesundheitszustand des Bewerbers. Die Frage sei im Beamtenverhältnis zulässig, weil die gesundheitliche Eignung des Bewerbers zwingend erforderlich sei. Zudem sei die Nachfrage des potentiellen Dienstherrn auch deshalb zulässig gewesen, weil der Kläger selber angegeben hatte, oft müde und ohne Elan zu sein.

Konsequenz
Die Entscheidung erscheint einleuchtend. Dennoch kann nicht von einer Übertragung der Grundsätze "eins zu eins" im Rahmen eines normalen Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden, weil die gesundheitliche Eignung im Beamtenrecht gesetzlich verankert ist, so dass insoweit eine gesetzliche Einschränkung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes besteht. Im normalen Bewerbungsverfahren bleiben Gesundheitsfragen insbesondere ohne konkreten Anlass jedoch problematisch.

18. Schuldunfähigen Arbeitnehmern kann fristlos verhaltensbedingt gekündigt werden

Kernfrage
Kündigungen, die auf das Verhalten eines Arbeitnehmers gestützt werden, setzen insbesondere dann, wenn sie fristlos ausgesprochen werden sollen, eine erhebliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers voraus. Voraussetzung dieser schweren Pflichtverletzung wiederum ist es in der Regel, dass der Arbeitnehmer (in einem besonderen Maß) schuldhaft gehandelt hat. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hatte in einer jüngeren Entscheidung darüber zu befinden, ob auch einem (vielleicht) schuldunfähigen Arbeitnehmer fristlos gekündigt werden kann.

Sachverhalt
Ein seit 20 Jahren beim beklagten Arbeitgeber beschäftigter Arbeitnehmer war, nachdem ihn seine Frau verlassen hatte, manisch-depressiv und zunächst lange Zeit arbeitsunfähig krank geworden. Nach seiner Rückkehr in den Betrieb fiel er wiederholt durch negative Äußerungen gegenüber weiblichen Kollegen auf, für die er auch abgemahnt wurde. Nachdem er eine Vorgesetzte öffentlich im Betrieb beleidigt, verleumdet und angedeutet hatte, sie habe sich mit dem HIV-Virus angesteckt, wurde ihm fristlos gekündigt. In seiner Kündigungsschutzklage verteidigte er sich damit, dass er aufgrund seiner manisch-depressiven Erkrankung schuldunfähig sei, unterlag jedoch vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung
Das Gericht stellte in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf ab, dass die Frage nach der Schuldfähigkeit des Klägers keine Rolle spiele. Der Grad der Beleidigung, die Art und Weise der Präsentation vor den versammelten Kollegen sowie das im konkreten Fall geplante Vorgehen des Klägers würden die Schwelle überschreiten, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zumutbar erscheinen lasse; der Betriebsfrieden sei nachhaltig und endgültig zerstört.

Konsequenz
Die Entscheidung ist im konkreten Fall zutreffend. Jedenfalls dann, wenn das Verhalten eines Mitarbeiters einen Grad erreicht, der geeignet ist, den Betriebsfrieden nachhaltig zu zerstören, kommt es auf ein schuldhaftes Handeln nicht (mehr) an. Bis dieser Grad allerdings erreicht ist, muss auch nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts davon ausgegangen werden, dass schuldhaftes Handeln erforderlich ist.

19. Entschädigung für schwangere Bewerberin bei Benachteiligung

Kernaussage
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist es diskriminierend, bei der Beförderung das Geschlecht der Kandidaten als Auswahlkriterium heranzuziehen. Wird eine Frau während der Schwangerschaft bei einer zuvor in Aussicht gestellten Beförderung übergangen, kann dies zusammen mit weiteren Indizien eine widerlegbare Vermutung für eine Diskriminierung begründen. Der Arbeitgeber, der diese Vermutung nicht widerlegen kann, ist zur Entschädigung verpflichtet.

Sachverhalt
Die Klägerin war bei Sony im Bereich "International Marketing" neben zwei männlichen Abteilungsleitern als weitere Abteilungsleiterin beschäftigt. Im Herbst 2005 wurde die Stelle des unmittelbaren Vorgesetzten frei, die einem Kollegen übertragen wurde. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt schwanger, was den für die Beförderungsentscheidung maßgeblichen Vorgesetzten bekannt war. Mit der Klage begehrt die Klägerin eine Entschädigung wegen der geschlechtsspezifischen Benachteiligung. Sie behauptet, dass ihr die Stelle mehrfach in Aussicht gestellt worden sei. Bei der Absage wurde ihr gegenüber die Äußerung getätigt, "sie solle sich auf ihr Kind freuen". Gründe für die Beförderung des Kollegen wurden nicht kommuniziert. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab der Klage erst im zweiten Rechtsgang statt, nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Sache dorthin zurückverwiesen hatte.

Entscheidung
Wird eine Frau während der Schwangerschaft bei einer zuvor in Aussicht gestellten Beförderung übergangen, kann dies in Zusammenschau mit anderen Indizien eine geschlechtsspezifische Diskriminierung begründen. Die Äußerung, die Klägerin "solle sich auf ihr Kind freuen", deutet ebenso auf eine Diskriminierung hin, wie die Tatsache, dass das beklagte Unternehmen ihr auch auf Nachfrage keine Gründe für die Bevorzugung des männlichen Kollegen genannt hat. Der innere Zusammenhang der vorgebrachten Indizien ist nicht Voraussetzung der Vermutung einer gesetzeswidrigen Benachteiligung. Da der beklagte Arbeitgeber die Vermutung in ihrer Gesamtschau nicht widerlegen konnte, war von einer Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft auszugehen.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, dass mehrere für sich allein nicht ausreichende Indizien im Rahmen einer Gesamtschau das Bild einer geschlechtsbezogenen Diskriminierung ergeben können. Vor dem Arbeitsgericht ist daher umfassend vorzutragen.

20. Zur Nichtigkeit eines geschlossenen "Beratungsvertrags Sanierung"

Kernaussage
Die Wirtschaftsberatung gehört zum Berufsbild des Steuerberaters, darf aber nicht im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit erfolgen, da anderenfalls ein Verstoß gegen die entsprechende Verbotsnorm im Steuerberatungsgesetz vorliegt. Diese Gefahr besteht dann, wenn durch den Beratungsvertrag eine Stellung zwischen Wirtschaftsberater und faktischem Unternehmenslenker eingeräumt wird. Der Beratungsvertrag selbst hingegen ist nicht nichtig, da eine Wirtschaftsberatung zu Sanierungszwecken in keinen unerträglichen Konflikt mit der Steuerberatung des Mandanten gerät.

Sachverhalt
Der Kläger war Steuerberater der beklagten GmbH & Co. KG. Nachdem diese in eine wirtschaftliche Krise geriet, schlossen die Parteien im Jahr 2004 einen "Beratungsvertrag Sanierung". Hiernach war der Kläger nicht an Weisungen der Geschäftsführer der Beklagten gebunden, konnte diesen aber im Einzelfall zu Sanierungszwecken Weisungen erteilen. Auch wurde dem Kläger eine umfassende Handlungsvollmacht erteilt. Im Oktober 2006 kaufte der Kläger von einigen Gesellschaftern Geschäftsanteile an der Komplementärin der Beklagten sowie Kommanditanteile an dieser. Den Kaufpreis zahlte der Kläger aus Mitteln der Beklagten. Nachdem dies auffiel, widerrief die Beklagte im Januar 2007 die Handlungsvollmacht mit sofortiger Wirkung und erklärte die fristlose Kündigung des Beratungsvertrags, weil der Kläger die Mittel für den Anteilserwerb unberechtigt aus dem Vermögen der Beklagten entnommen und dadurch ihre Liquidität gemindert habe. Der Kläger nimmt die Beklage auf Zahlung von Beraterhonoraren für die Monate Januar - Juni 2007 in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage wegen Nichtigkeit des Vertrages abgewiesen. Das Oberlandesgericht sprach dem Kläger die Vergütung bis zum Kündigungszeitpunkt zu.

Entscheidung
Die Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) blieb erfolglos. Eine Nichtigkeit des Vertrages ergab sich nicht, denn Sinn und Zweck der Verbotsnorm des Steuerberatungsgesetzes gebieten es nicht, jegliche gewerbliche Tätigkeit des Steuerberaters zu unterbinden. Erforderlich ist vielmehr, dass ein Risiko der Fremdverwertung von Geschäftsgeheimnissen zu Gunsten eigener Erwerbszwecke des Steuerberaters zu befürchten ist und damit die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Sachgerechtigkeit der Steuerberatung gefährdet sind. Auch ist der Vergütungsanspruch für erbrachte Beratungsleistungen nicht unter dem Gesichtspunkt der schwerwiegenden Treupflichtverletzung verwirkt worden. Die Verwirkung wurde höchstrichterlich im Fall eines Parteiverrates durch einen Rechtsanwalt festgestellt. Eine derartige "Doppeltätigkeit" des Klägers, etwa für Konkurrenten, wurde nicht entfaltet. Die unerlaubte Verwendung von Mitteln aus dem Vermögen der Beklagten ist mit dem beschriebenen Tatbestand nicht vergleichbar. Das beanstandete Verhalten des Klägers begründet jedoch die fristlose Kündigung des Beratungsvertrages.

Konsequenz
Der BGH hat sich eingehend mit der Abgrenzung der erlaubten Wirtschaftsberatung zur verbotenen gewerblichen Tätigkeit beschäftigt und damit den Anwendungsbereich der entsprechenden Verbotsnorm des Steuerberatungsgesetzes ausgefüllt.

21. Durchsetzbarkeit des Aufrechnungsrechts bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Kernaussage
Die Aufrechnung mit einer Forderung, die nach dem Insolvenzplan als erlassen gilt, bleibt möglich, wenn die Aufrechnungslage bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand. In der Zustimmung zum Insolvenzplan oder in der widerstandslosen Hinnahme des Plans liegt regelmäßig kein Verzicht auf die mögliche Aufrechnung.

Sachverhalt
Über das Vermögen der Schuldnerin, einer GmbH, wurde 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das beklagte Land meldete Umsatzsteuerforderungen in Höhe von mehr als 1 Mio. EUR zur Tabelle an. Mit Zustimmung des Beklagten wurde in der Folgezeit ein Insolvenzplan beschlossen, der einen Teilerlass von 93,65 % der Gläubigerforderungen vorsah. Das Insolvenzgericht bestätigte den Plan und hob das Insolvenzverfahren auf. Nachdem die Schuldnerin die Zahlungen aus dem Insolvenzplan erfüllt hatte, machte sie gegen den Beklagten Werklohnforderungen für Bauleistungen geltend, die sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hatte. Der Beklagte hat die Aufrechnung mit dem noch nicht getilgten Teil der Umsatzsteuerforderung erklärt. Während des Rechtsstreits wurde über das Vermögen der Schuldnerin erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet; der Insolvenzverwalter hat den Rechtsstreit aufgenommen. Das Oberlandesgericht (OLG) gab der Zahlungsklage schließlich statt.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil des OLG auf, da die Forderungen der Schuldnerin durch die Aufrechnungserklärung des Beklagten erloschen sind. Durch die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans gelten die Forderungen als erlassen. Sie sind jedoch nicht erloschen und bestehen als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann. Eine Aufrechnung dieser Forderungen bleibt möglich, wenn die Aufrechnungslage zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand. Die gesetzliche Regelung setzt sich auch gegenüber der gestaltenden Wirkung eines Insolvenzplans durch. Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig, denn der Insolvenzverwalter hätte im Rahmen des Insolvenzplans den betreffenden Gläubiger zu einem Verzicht auf sein Aufrechnungsrecht bewegen oder die Aufrechnungsmöglichkeit in den Plan mit einbeziehen können.

Konsequenz
Bei einem Verlust des Anfechtungsrechts infolge der Bestätigung des Insolvenzplans würde der Gläubiger regelmäßig schlechter gestellt sein als bei der Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens. Bringt der Plan für den Gläubiger aber wirtschaftliche Nachteile, muss das Insolvenzgericht die Bestätigung des Plans auf Antrag versagen.

22. Anspruch auf Rechnungslegung für nicht beteiligten Gesellschafter bei Liquidation einer GbR

Kernaussage
Der Anspruch auf Rechnungsabschluss schließt den Anspruch auf Rechnungslegung ein, wenn der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nicht an der Liquidation beteiligt und auch sonst nicht über den Vermögensstand der Gesellschaft unterrichtet ist.

Sachverhalt
Die Klägerin ist die Alleinerbin des im Februar 2005 verstorbenen Erblassers. Dieser betrieb zusammen mit der Beklagten in Form einer GbR einen Handel mit Antiquitäten und Schmuck. Im August 2004 beschlossen die Gesellschafter einstimmig, die Gesellschaft zu liquidieren. Ab November wurden die Geschäfte abgewickelt. Mit der Klage verlangte die Klägerin zunächst die Hälfte des sich aus der Abfindungsbilanz zum Todestag des Erblassers ergebenen Wertes des Gesellschaftsvermögens. Hierzu beruft sie sich auf eine Bestimmung des Gesellschaftsvertrages, wonach die GbR im Falle des Todes eines Gesellschafters unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird und die Erben eine Abfindung entsprechend dem Anteil am Gesellschaftsvermögen erhalten sollen. Nach rechtlichem Hinweis in der Berufungsinstanz begehrt die Klägerin im Wege der Stufenklage hilfsweise die Rechnungslegung über die durchgeführte Liquidation und Auskehrung der Hälfte des Liquidationsüberschusses. Das Berufungsgericht wies die Klage in der Hauptsache ab, da der Zahlungsanspruch auf Grundlage der Abfindungsbilanz eine werbende Gesellschaft voraussetze. Der Hilfsantrag sei ferner als Klageänderung unzulässig.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der Klage auf der ersten Stufe statt. Die Klageänderung ist aufgrund der unwiderleglichen Vermutung der Einwilligung des Gegners zulässig, denn zu den Hilfsanträgen der Klägerin wurde verhandelt, ohne dass die Beklagte dies beanstandete. Der Rechnungslegungsanspruch ist begründet, da die Klägerin als Alleinerbin des Mitgesellschafters der Beklagten an dessen Stelle in die Liquidationsgesellschaft eingetreten ist und somit einen Anspruch auf Auskehrung der Hälfte des Liquidationsüberschusses hat. Die an der Liquidation nicht beteiligte und auch sonst über den Vermögensstand der Gesellschaft nicht unterrichtete Klägerin hat gegen die, die Abwicklung betreibende, Beklagte einen Anspruch auf Rechnungsabschluss, der den Anspruch auf Rechnungslegung in sich trägt.

Konsequenz
Im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters oder der Liquidation der Gesellschaft ist in der Regel im Wege der Stufenklage vorzugehen, sofern der Zahlungsanspruch noch nicht beziffert werden kann. Die Verjährung der Ansprüche kann somit verhindert werden.

23. Vertretungsbefugnis einer Limited endet mit deren Löschung im englischen Handelsregister 

Rechtslage
Besteht Grund zu der Annahme, dass eine "private company limited by shares" (Ltd.) nicht mehr am wirtschaftlichen Leben teilnimmt, kann die englische Registerbehörde die Ltd. löschen. Dies ist oftmals der Fall, wenn die Ltd. ihren Pflichten zur Einreichung der Jahresabschlüsse nicht nachkommt. Erfolgt die Löschung, bestimmen sich die Rechtsfolgen in erster Linie nach dem englischen Gesellschaftsrecht. Im Fall der Auflösung aufgrund von Versäumnissen der bisherigen gesetzlichen Vertreter endet deren Vertretungsbefugnis. Sie handeln ab dem Zeitpunkt der Löschung ohne Befugnis und haften daher persönlich und unbeschränkt. Vom Registergericht ist sodann ein Nachtragsliquidator oder ein Abwesenheitspfleger zu bestellen. Im finanzgerichtlichen Prozess ist die Ltd. anderenfalls nicht handlungs- und prozessfähig.

Sachverhalt
Infolge einer Steuerfahndungsprüfung hatte das Finanzamt gegen eine Ltd. mit Sitz in England aufgrund von Veräußerungsgewinnen in Deutschland Körperschaftsteuer festgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war die Ltd. im englischen "Companies House" (Handelsregister) gelöscht und aufgelöst. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob eine deutsche Rechtsanwaltsgesellschaft für die Ltd. Klage und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung. Der für die Ltd. auftretende Prozessvertreter beruft sich auf eine vom "director" nach Löschung ausgestellte Prozessvollmacht. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wurde über die Aussetzung der Vollziehung entschieden.

Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) wies den Antrag mangels wirksamer Beauftragung der Rechtsanwaltsgesellschaft als unzulässig zurück. Zwar ist die infolge der Löschung beendete Ltd., wie auch eine inländische Kapitalgesellschaft, für Zwecke des Besteuerungsverfahrens so lange als fortbestehend anzusehen, wie sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat. Allerdings kann die Ltd. nicht mehr durch den bisherigen vertretungsberechtigten "director" handeln. Dieser konnte daher keine Vollmacht erteilen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem ehemaligen "director" der Ltd. auferlegt, weil er das Verfahren bzw. das Auftreten des vollmachtlosen Vertreters veranlasst hat.

Konsequenz
Im Zusammenhang mit der Ltd. treten in der Praxis häufig Probleme auf. Die prozessrechtlichen Folgen der Auflösung einer Ltd. sind weitgehend ungeklärt. Auch bleibt die Frage offen, ob das Finanzamt den Steuerbescheid mangels fortbestehender Vertretungsberechtigung wirksam bekannt geben konnte. Das Hauptsacheverfahren bleibt abzuwarten.

24. Abgrenzung Land- und Forstwirtschaft vom Gewerbe bei Hofladen oder Handelsgeschäft

Frühere Rechtslage
Mit BMF-Schreiben vom 18.1.2010 galt hinsichtlich der zeitlichen Anwendung zur Abgrenzung der Land- und Forstwirtschaft vom Gewerbe in Zukaufsfällen die Vorgabe, dass die neuen Anwendungsregelungen erstmals für Wirtschaftsjahre gelten sollten, die nach dem 30.6.2010 beginnen.

Verlängerung der Zeitvorgabe
Diese zeitliche Vorgabe wurde bereits mit Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 24.6.2010 um ein Jahr verlängert, da noch einige offene Fragen zur Anwendung der Neuregelung bestanden und nicht fristgerecht geklärt werden konnten.

Neues BMF-Schreiben
Nunmehr hat das Bundesfinanzministerium mitgeteilt, dass die sogenannte Altregelung im Sinne der Richtlinie 15.5 Absatz 5 und 6 der Einkommensteuerrichtlinien 2008 bei Verschlechterungen weiterhin angewandt werden dürfen. Dies jedoch nur für die Wirtschaftsjahre, die vor der Veröffentlichung einer geänderten Richtlinienfassung beginnen. Damit bleibt zunächst ein definitiver Umsetzungstermin offen.

25. Festlegen einer durchschnittlichen Stundenzahl im Monat im Arbeitsvertrag unwirksam 

Rechtslage
Um Arbeitnehmer flexibler einsetzen zu können, sehen viele (Standard)Arbeitsverträge lediglich regelmäßige Rahmenarbeitszeiten vor, ohne jedoch den genauen Beschäftigungszeitraum festzulegen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr über die Wirksamkeit einer solchen Arbeitszeitklausel zu befinden, die lautete: "Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten."

Sachverhalt
Der Kläger war auf der Grundlage der vorgenannten Arbeitsvertragsklausel beschäftigt und arbeitete tatsächlich durchschnittlich 188 Stunden im Monat. Der geltende Tarifvertrag sah für Vollzeitbeschäftigte eine Mindestarbeitszeit von 160 Stunden im Monat vor. Mit seiner Klage begehrte der Arbeitnehmer die Feststellung, dass seine monatliche Arbeitszeit dem tatsächlichen Beschäftigungsumfang entsprach, bekam aber nur teilweise Recht.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hielt die arbeitsvertragliche Klausel schließlich unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Benachteiligung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen für unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich sei. Insbesondere bleibe der Arbeitnehmer über den Umfang seiner Beschäftigung und deren Zeitraum im Unklaren. So sei die Klausel nicht so zu verstehen, dass der Kläger 150 Stunden pro Monat zu arbeiten habe; vielmehr könne es auch so sein, dass der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hinweg auf einen Monatsdurchschnitt von 150 Stunden kommen müsse. Im Klageweg könne er aber nur die Feststellung bis zur tarifvertraglich festgelegten Mindestarbeitszeit pro Monat erreichen.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, wie genau auf arbeitsvertragliche Formulierungen zu achten ist. Eine Klausel, die zu einer Arbeitsleistung von 150 Stunden pro Monat verpflichtet hätte, wäre (wohl) wirksam gewesen.

26. Steuerbefreiung für Ärzte

Kernaussage
Ärzte gehen regelmäßig davon aus, dass sie aufgrund der Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen nichts mit der Umsatzsteuer zu tun haben. Dies trifft aber nur für Leistungen zu, die der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten dienen. Leistungen, die diese Kriterien nicht erfüllen, unterliegen dagegen der Umsatzsteuer.

Neue Verwaltungsanweisung
In Ergänzung zum Umsatzsteuer-Anwendungserlass (Abschn. 4.14.1 Abs. 5 UStAE) listet die Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe einen umfangreichen Katalog ärztlicher Leistungen auf und erläutert, ob diese umsatzsteuerpflichtig oder von der Umsatzsteuer befreit sind. Hierbei wird insbesondere auf ärztliche Gutachten, Berufsuntauglichkeitsuntersuchungen und ähnliche Leistungen eingegangen, die im Hinblick auf die Umsatzsteuer als kritisch einzustufen sind.

Konsequenz
Ärzte, insbesondere solche, die Gutachten erstellen, sollten die Verfügung zum Anlass nehmen, ihre Leistungen hinsichtlich ihrer Steuerfreiheit zu überprüfen. Werden steuerpflichtige Leistungen erbracht, so besteht nur dann die Verpflichtung zur Abführung von Umsatzsteuer, wenn diese Umsätze die Grenze für Kleinunternehmer (17.500 EUR) überschreiten. Ergibt sich eine Umsatzsteuerpflicht, so verteuert dies regelmäßig die ärztlichen Leistungen, soweit sie gegenüber Privaten erbracht werden. Allerdings können sich im Einzelfall auch Vorteile ergeben, da die Steuerpflicht den Vorsteuerabzug aus bezogenen Leistungen, z. B. Investitionen, eröffnet.

27. Vorsicht vor käuflichen USt-IDNr.

Rechtslage
Der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IDNr.) kommt innerhalb des Binnenmarktes eine entscheidende Funktion zu. Sie dient u. a. den Unternehmen dazu, festzustellen, ob ihre Kunden bzw. Lieferanten Unternehmer sind. Dies wiederum ist Voraussetzung für die ordnungsgemäße umsatzsteuerliche Erfassung. Ferner ist die USt-IDNr. Rechnungsbestandteil und dient der Finanzverwaltung im Rahmen der zusammenfassenden Meldung auch zur Kontrolle des innergemeinschaftlichen Liefer- und Leistungsverkehrs. In Deutschland wird die USt-IDNr. vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) vergeben.

Warnung der EU-Kommission
Die EU-Kommission hat nun auf ihrer Internetseite vor Betrügern gewarnt, die USt-IDNr. zum Kauf anbieten. Die Kommission weist darauf hin, dass nur die nationalen Steuerbehörden USt-IDNr. vergeben.

Konsequenzen
Es ist kaum zu glauben, auf welche Geschäftsideen kriminell veranlagte Personen kommen. Offenbar sind viele Unternehmer mittlerweile so verunsichert und überfordert mit der Umsatzsteuer im Binnenmarkt, dass sie gewillt sind, ohne zu hinterfragen vieles zu glauben. Auch dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass das System des Binnenmarktes dringend einer Vereinfachung bedarf, statt es weiterhin zu verkomplizieren. Wer ein solches Angebot bekommt, sollte dies natürlich ablehnen. Bestehen Zweifel an nicht angeforderten Mitteilungen, bietet sich die Rücksprache mit der zuständigen Steuerverwaltung an.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de